Bibliothek

Bücher waren in den Klöstern des Mittelalters der kostbarste Besitz. Es ist verbürgt, dass zum Beispiel in St. Gallen bei Krieg und Brand der Ruf erscholl: Rettet zuerst die Bücher! (…mehr zum Buchbestand)

Auch das Kloster Altenberg verfügte bis zu seinem Niedergang über einen sehr beachtlichen Bestand an handgeschriebenen und zu einem großen Teil illuminierten Büchern liturgischen Charakters oder geistlichen Inhalts aus dem 12., 13., 14., 15. und 16. Jahrhundert, die in der klostereigenen Schreibstube hergestellt worden waren.

Als unter Abt Benno 1133 die ersten zwölf Mönche aus Burgund kamen, um auf der ihnen vom Grafen Adolf von Berg überlassenen alten Burg Berge ihre klösterliche Niederlassung zu begründen, führten sie in ihrem Gepäck auch die für die Gottesdienste notwendigen handgeschriebenen liturgischen Bücher mit. Das Mutterkloster war verpflichtet, bei einer Klostergründung den Mönchen Handschriften mitzugeben. Diese wiederum hatten die Aufgabe, sie abzuschreiben und die Handschriften an die Neugründungen weiterzugeben.

Für das Chorgebet wurden Psalterium, Antiphonarium, Hymnarium, Lektonarium, Kalendarium und die Regel des heiligen Benedikt benötigt. Im Brevier waren die verschiedenen für das Offizium verwendeten Bücher zusammengefasst. Für das Konventamt und die privaten Messen dienten Graduale, Missale, Epistolar, Evangeliar und das Kollektenbuch mit den Oratorien.

Aus den verschiedenen Büchern der Bibel wurden nicht nur die Lesungen beim Chorgebet und in den heiligen Messen vorgetragen, vor allem dienten die Heiligen Schriften als bevorzugte Lektüre für die geistliche Lesung, für die auch die umfangreichen Werke der Kirchenväter und der geistlichen Schriftsteller zur Verfügung standen.

Das Altenberger Skriptorium

In Altenberg stammen von den über 60 erhaltenen Handschriften noch etwa 20 aus dem Jahrhundert der Klostergründung (1133). Sie deuten darauf hin, dass in Altenberg seit Beginn eine rege Schreibtätigkeit herrschte. Schon sehr früh hat die Abtei ein Skriptorium gehabt. Wo es lag, ist nicht überliefert. Die Bibliothek befand sich im Haus des Abtes.

Die mittelalterliche Schreibstube muss man sich als eine Werkstatt vorstellen, in der mehrere Mönche oder Konversen tätig waren, die ihr Handwerk im eigenen oder in einem fremden Kloster erlernt hatten. Das Schreiben und Ausmalen der Bücher war eine Arbeit wie andere handwerkliche Arbeiten im Kloster oder auch auf dem Feld.

Es wurde auf Pergament geschrieben, dafür wurden Tierhäute von Kälbern, Schafen oder Ziegen gewonnen. Für 200 Blätter waren Häute von ca. 50 Tieren erforderlich, für zwei Doppelblätter die Haut von einem Tier. Ein Schreibpult diente als Unterlage. Zunächst wurde der Schriftspiegel für ein Werk festgelegt, dann ein Liniennetz vorgezeichnet oder eingeritzt und der Raum für Initialen freigehalten, ehe der Rubrikator, der Rotmaler und der Skriptor ihre Arbeit aufnahmen. Für die bildhafte Ausschmückung der Initialen sorgten Miniatoren und Illuminatoren, die eigentlichen Buchmaler.

Geschrieben wurde mit dem sorgfältig geschnittenen Kiel einer Vogelfeder, gemalt mit einem feinen Pinsel. Die Tinte, unter anderem aus Ruß und Gummi, Galläpfeln, Weißdorn oder Schlehen mit Wein hergestellt, wurde in Rinderhörner abgefüllt und war beim Schreibvorgang am Pult zur Hand. Rote Tinte wurde aus Mennige gewonnen. Die Illuminatoren verwendeten für das Ausmalen reine Naturfarben aus Mineralien, die von Steinen abgeschabt und pulverisiert wurden, auch aus dem Sekret der Purpurschnecke. Dem Farbpulver wurden Bindemittel beigegeben, damit die Farben auf dem Pergament hafteten. Auch Gold und Silber wurden verwendet. War die Schreib- und Maltätigkeit vollendet, wurden die Pergamentblätter zusammengebunden und durch Buchdeckel aus Holz mit Lederüberzug und vielfach durch metallene Beschläge geschützt.

Zu den Kostbarkeiten des Altenberger Skriptoriums aus dem 12. Jahrhundert gehören liturgische Handschriften, Bibeln, Auslegungen der Heiligen Schrift durch die Kirchenväter und Werke des heiligen Bernhard von Clairvaux. Zu den ältesten Büchern zählt eine Pergamenthandschrift mit Werken des Kirchenschriftstellers Johannes Cassianus (um 360 bis um 430).

Waren die Altenberger Schreibermönche im 12. Jahrhundert hauptsächlich damit beschäftigt, die Töchterklöster mit Büchern zu versorgen, so erweiterten sie im folgenden Jahrhundert den Bücherbestand Altenbergs mit liturgischen Handschriften sowie mit theologischer Literatur der Kirchenväter und mit Heiligenviten. Zu diesen Arbeiten zählt wohl auch eine theologische Sammelschrift aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Sie enthält Texte mehrerer Kirchenschriftsteller sowie eine Predigt des heiligen Eusebius über die Auferstehung des Herrn und ist unter anderem mit einer Miniatur des Heiligen ausgeschmückt, einer mehrteiligen Szene der Siebenschläferlegende und dem Bild des Barlaam, der den Königssohn Josaphat bekehrt. Diese Handschrift gilt als eines der frühesten Beispiele einer Buchhandschrift mit figürlichen Darstellungen.

Aus dem 14. Jahrhundert sind merkwürdigerweise nur wenige Handschriften erhalten. Das mag mit einer Überschwemmung des Klosters im Jahre 1324 zusammenhängen, der auch viele Bücher zum Opfer fielen und von der vielleicht auch das Skriptorium betroffen war. Ein bedeutsames Exemplar dieser Zeit ist der Dialogus miraculorum des Caesarius, Prior und Novizenmeister des Klosters Heisterbach (1180–1240). Er vermittelt in seinen Erzählungen ein Bild des gesamten Ordenslebens. Eine der Miniaturen in diesem Buch, dessen Seiten reich mit Rankenwerk, Fabelwesen und Engeln geschmückt sind, zeigt den Lehrer mit aufgeschlagenem Buch und dem Novizen im Gespräch. Ob die Handschrift in Altenberg entstanden ist, ist nicht völlig klar, auf jeden Fall trägt sie einen Besitzervermerk der Altenberger Abtei.

Aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts haben sich Handschriften erhalten, die von der Qualität der Schreib- und Malkunst des Altenberger Skriptoriums zeugen, so z.B. ein Missale, geschrieben in spätgotischen Minuskeln, mit gotischen Hufnagelnoten und Initialen und Schmuckrändern aus Blättern, Blüten, Früchten in leuchtenden Farben und unter Verwendung von Blattgold. Die Initiale H(odie scietis quia verniet dominus) zum Introitus am Vorabend des Weihnachtsfestes zeigt einen Zisterzienserabt (den heiligen Bernhard?) vor dem Hintergrund einer Landschaft mit Abteigebäude. Auch ein Brevier aus dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts mit einer Zierseite mit der Verkündigungsszene in Deckfarben und Gold, mit Spruchbändern durchwirktem Rahmen aus mehrfarbigen Blatt- und Blütenranken sowie ein Rituale vom Anfang des 16. Jahrhunderts mit der Altenberger Filiationstafel bekunden auf eindrucksvolle Weise den hohen Stand der Altenberger Buchmalerei zum Ende des 15. Jahrhunderts unter der Protektion der Äbte Arnold von Monnikendam und Heinrich Rouffer von Brauweiler.

Eine letzte Blüte erlebte das Altenberger Skriptorium unter dem Abt Wilhelm Stoploch von Hittorp (1538–1566). Es entstanden in dieser relativ kurzen Zeitspanne fünf erhaltene Chorbücher mit einer Rückenhöhe bis zu 60 Zentimetern, mit insgesamt 3000 Pergamentseiten und reicher bildnerischer Ausstattung, mit 40 großen farbenprächtigen Bildinitialien, zahlreichen Ornamentinitialien, Rankenwerk aus Blüten, Blättern, Früchten, Fabelwesen, mit Drolerien und versteckten Initiale als Hinweise auf die an der Herstellung der Handschriften beteiligten Schreiber und Miniatoren. Sie treten nun aus der Anonymität des Skriptoriums heraus. Es wird deutlich, dass eine ganze Reihe von Mönchen oder Konversen an einem Werk gearbeitet hat.

Diese Chorbücher sind die letzten Zeugen aus dem Altenberger Skriptorium. Die sich schnell ausbreitende Buchdruckerkunst übernahm die weitere Buchherstellung.

Habent sua fata libri – Bücher haben ihre Schicksale

Dieses Zitat des römischen Dichters Terentius maurus lässt sich auf Bibliothek und Handschriften des Klosters Altenberg anwenden. Bei der Säkularisierung des Klosters 1803 mussten die Bücher zusammen mit denen anderer Klöster an die Kurfürstliche Hofbibliothek Düsseldorf abgeliefert werden. Ein damals erstelltes Bibliotheksinventar verzeichnet 1200 Bände aus Altenberg. In Kisten und Fässern wurden sie im November und Dezember 1803 nach Düsseldorf transportiert. In der kurfürstlichen Bibliothek wurden die Altenberger Bücher in die bestehenden Abteilungen eingeordnet, die Dubletten verkauft. 1815 wurde die Bibliothek mit ihrem Bestand von Preußen übernommen und als „Königliche Landesbibliothek Düsseldorf“ geführt. 1904 ging diese an die Stadt Düsseldorf als „Landes- und Stadtbibliothek“ über, die 1970 ihre Buchbestände der Universität Düsseldorf übergab. Hier werden sie heute in der Handschriftenabteilung unter modernsten konservatorischen Bedingungen bewahrt, bearbeitet und als Digitalisate der Wissenschaft zugänglich gemacht 

Literatur zu Skriptorium und Bibliothek Altenberg (Auswahl):

  • Heinz Finger, Gedanken zu einigen Handschriften aus dem Altenberger Skriptorium, in: Romerike Berge 49, 1999, S. 3ff.
  • Eberhard Galley, Ein Blick in die Werkstatt der Altenberger Buchmalerei, in: Romerike Berge, Zeitschrift für Heimatpflege im Bergischen Land 4, 1954, S. 155ff.
  • Eberhard Galley/Gabriel Hammer, Die Chorbücher der Abtei Altenberg aus dem 16. Jahrhundert, Bergisch Gladbach 1988
  • Gabriel Hammer, Skriptorium und Bibliothek Altenberg, in: Die Cistercienser, hg. von A. Schneider u.a., 3. erw. Auflage, Köln 1986, S. 408ff.
  • Ursula Perkow, Beiträge zur Bibliotheksgeschichte der ehemaligen Cistercienserabtei Altenberg, in: Cistercienser Chronik 81, 1974, S. 32ff, 82, 1975, S. 1ff., 45ff., 88 ff., 83, 1976
  • Elisabeth Hamfort, Monastische Buchkunst zwischen Mittelalter und Renaissance – Die illuminierten Handschriften des Zisterzienserklosters Altenberg und die Kölner Buchmalerei 1450–1550 (Veröffentlichungen des Altenberger Dom-Vereins 6), Bergisch Gladbach 2001
  • Heinz Finger, Die Altenberger Klosterbibliothek (1133–1803), in: Altenberger Blätter 11, 2001, S. 5–15
  • Gabriel Hammer, Altenberger Buchmalerei, in: Altenberger Blätter 11, 2001, S. 16–31
  • Annette Zurstraßen, Zur Geschichte Altenbergs und seiner Bibliothek, in: Altenberger Blätter 57, 2013, S. 21–39

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